„Malgrund“ und „Postgemälde“


Im Jahr 1935 kommt vom Postamt Rechenberg-Bienenmühle Herr Ohlendorf als Postamtsvorsteher nach Weinböhla. Schnell hatte er von den im Ort nomadisierenden Poststellen erfahren und sich für einen Neubau eingesetzt. Noch im gleichen Jahr werden die Flurstücke 508 und 509 auf der Königstraße erworben und die Planungen können beginnen. Das teilt der Weinböhlaer Bürgermeister dem Amtshauptmann in Meißen auf dessen Anfrage mit. Dieser erhält dann am 22.5.1937 von der Reichspostdirektion Dresden die Nachricht, dass das Heimatwerk Sachsen gegen die „heimatverbundene Bauweise nichts einzuwenden hat“. Am 9.11.1937 ordnet der Reichspostminister an, dass „das neue Postdienstgebäude in Weinböhla zu errichten ist“.

Am 14.12. 1937 schaltet sich Weinböhlas Bürgermeister ein. Dem Amtshauptmann teilt er mit, dass die einflüglige Eingangstür kaum dem zu erwartenden regen Verkehr zum Postamt gerecht wird, fordert ein geschmackvolleres Portal, das die Straßenansicht wesentlich hebt und in guten Einklang zum vorgesehenen Erker zu bringen wäre, kritisiert den zum Ortsbild nicht passenden Dachaufbau und die symmetrische Fensteranordnung im Erdgeschoß. Der 1. Spatenstich erfolgt am 21.2.1938, das Richtfest am 19.8.1938. Am 27.12.1938 greift der Bürgermeister wieder ein. Er bemängelt gegenüber dem Amtshauptmann die grellen Farben (rot und gelb) der Fensterläden und roten Fensterumrandungen die „schreiend auf das Landschaftsbild wirken, das öffentliche Gebäude verunstalten und unbedingt zu ändern sind“. Der Amtshauptmann besichtigt das Bauvorhaben, schreibt dem Bürgermeister am 12.1.1939, dass zwar die Farben etwas zu grell sind, aber vor einem endgültigen Urteil erst der fertige Anstrich- nicht aber die vorgesehenen Bilder- abzuwarten ist. Schließlich werden die Farben aber doch abgestumpft.

Die farbige bildhafte Ausgestaltung der Schauseite des neuen Weinböhlaer Postgebäudes war von Anbeginn an vorgesehen(1) und geschah nach Vermittlung des Postmeisters Ohlendorf durch den jungen, bereits mit Staatspreisen ausgezeichneten Dresdner akad. Künstler Johannes Fischer, der bereits die Festräume in der Augustusburg sowie das „Haus Schandau“ im Olympischen Dorf bei Berlin mit Bildschmuck ausgestaltet hatte. Ziel war, mit den Wandmalereien zu versuchen, „ einen seit Jahrhunderten nicht mehr geübten Kunstzweig im Sinne des Heimatschutzes neu zu beleben“. Fischer schuf zwischen dem 20.4.1940- 8.6.1940 den Bildschmuck. Auf dem Erker links der Eingangstür sind die zwei Fenster von grünen Weinranken eingefaßt. Ein Wappen trägt als Enbleme Hake, Spaten und Rebe. Links davon wird die Weinlese, rechts die Spargelernte veranschaulicht. Damit sind symbolisch die einstigen Haupterwerbsquellen von Weinböhla dargestellt. Über den Haupteingang kamen ein großes Hoheitsabzeichen und das Wort „Postamt“ und rechts der Tür mit unverwischbaren Mineralfarben ein kursächsischer Postreiter in farbenfroher Tracht auf schwarzem Roß. Er bringt einer jungen Winzerin, die neben einer gefüllten Traubenbütte steht, einen Brief mit rotem Siegel. Nach dem frohen Gesicht der Empfängerin zu urteilen, erwartet sie eine frohe Botschaft. Die Studien zu diesem Bild trieb der Maler Fischer in der sächsischen Poststube des Dresdner Postmuseums. Das Staatstheater stellte ihm die Trachten jener Zeit und die Polizei ein Pferd für den Entwurf zur Verfügung. Das Weinböhlaer Postamt dürfte damit in seiner Eigenart kaum ein Gegenstück haben.

Postamtsvorsteher Ohlendorf hatte sein Ziel bei dem Richtfest fast erreicht. Er, der seit 1908 im Dienst der Post in Dresden stand, ab 1923 in Rechenberg-Bienenmühle, wo auch ein neues Postamt entstand, Dienst tat, wurde im Oktober 1938 in das Hauptpostamt Außig versetzt. (Im November 1938 gab die Reichspost zur Erinnerung an die Eingliederung des Sudetendeutschen Gebietes Sondermarken heraus.) Ab Juli 1940 in Sachsen, steht Ohlendorf an der Spitze des Postamtes in Königsbrück, wo wieder ein Postneubau geplant wird.

Als die Farben der Wandbilder zusehends verblassen, übernimmt der Weinböhlaer Maler Oskar Schöne 1960 die Restauration.

Quellen: Meißner Tageblatt v. 20.4.1940; 8.6.1940; 22.6.1940/ Stadtarchiv Meißen sowie Material aus dem Archiv der Gemeindeverwaltung Weinböhla

Text: Dr. W.Goder

mit freundlicher Genehmigung der Autoren

 

 

Kurz nach der Fertigstellung - noch ohne Bilder!